Martina
Busch
Otgonbayar
Ershuu und die Glaubenswelt Mongolei
Die
Frage welche Religion in der Mongolei, den Alltag der Menschen bestimmt,
ist nicht so leicht zu klären. Es scheint viel mehr, als wurden Elemente
verschiedener Religionen, wie Kochzutaten in einen großen Topf gegeben
und
zu einem individuell abgestimmten Festmahl zubereitet. So entstand eine
religiöse Mischform, die fasziniert und uns doch teilweise
geheimnisvoll, nicht
greifbar, experimentell erscheint. Die ursprüngliche Religion war der
Tengerismus. Als Naturreligion reagiert sie direkt auf das Handeln und
Wirken
der Menschen. „Vater Himmel“ wacht über das Land, schützt und straft,
wie ein
Vater als Oberhaupt der Familie. „Mutter Erde“ oder auch „Mutter Land“
ist die
Quelle des Lebens, lässt entstehen, versorgt und zieht heran, wie die
Mutter
ihre Kinder, unter den strengen, weisen Augen des Vaters. Der Himmel
ist das
Zentrum mongolischer Welt- und Glaubensvorstellungen,
allgegenwärtig, spielt sich unter seinen Augen rechtes und unrechtes
menschliches Handeln ab und wird belohnt oder gestraft. Dieser Ursprung
mongolischer Weltanschauung ist bis heute ein Grundbaustein des
mongolischen Glaubens. Ein weiterer Grundbaustein ist der Schamanismus.
Nur
wenige Menschen haben die Fähigkeiten des Schamanen, als Mittler
zwischen Diesseits und Jenseits das Verhältnis zwischen Himmel und Erde,
Göttern, Geistern und Menschen im Gleichgewicht zu halten.
Im 16.Jh. erhielt der Buddhismus Einzug in die mongolische Glaubenswelt,
jedoch ließen sich Tengerismus und Schamanismus nur scheinbar
verdrängen,
vielmehr wurden sie integriert und prägen bis heute die Glaubenswelt der
Mongolei.
Gegenwärtig
sind ein Großteil der mongolischen Bevölkerung Buddhisten,
jedoch praktizieren sie einen ganz eigenen Buddhismus, ein individuell
zubereitetes Festmahl nach traditionell, mongolischem Rezept.
Otgonbayar
Ershuu hat
seinen ganz eigenen Blick auf Religion und
Glaubenswelten. Als kleiner Junge ging er auf eine buddhistische
Klosterschule,
er sollte „Lama„ werden. Doch bereits damals wusste er, dass sein Leben
einen
anderen Weg einschlagen würde.
Er
selbst sagt von sich, dass er keine Religion habe. Was ihm jedoch aus
der
Klosterzeit geblieben ist, sind Respekt und Faszination für die
traditionellen
Arbeitstechniken buddhistischer Kunst.
In
jahrelanger Arbeit machte er sich diese Techniken zu eigen, zeichnete
600
Gottheiten en miniature und
entwickelte seine Fähigkeiten zur Perfektion.
Seine Gottesbilder sind ein Spagat zwischen dem strengen Regelwerk
buddhistischer Thangkamalerei und künstlerischer Individualität, doch
genau
diese Spannung ist es, die seine Götter so einzigartig, faszinierend und
geheimnisvoll macht...
Martina
Busch
Otgonbayar
Ershuu und die Kunst der buddhistischen Thangkamalerei
Thangkas
sind kleine Rollbilder aus Baumwolle mit religiösem Ursprung. Sie
wurden angefertigt zu buddhistischen Ritualen der Meditation und
Götterverehrung. Heute steht der künstlerisch, handwerkliche Wert der
Thangkamalerei im Vordergrund. Die kleinen Götterbilder sind in ihrer
Anfertigung sehr aufwändig, verlangen vom Künstler unglaubliches
technisches Können und meditative Konzentrationsfähigkeit. Besonders
verbreitet ist die Herstellung von Thangkas in buddhistisch geprägten
Ländern, wie Indien, Nepal, Bhutan und Tibet.
Mit
dem Buddhismus
erhielt die Thangkamalerei auch in die Mongolei Einzug und ist bis
heute fester Bestandteil der Kunst- und Glaubenswelt. Es gibt
zahlreiche Künstlerwerkstätten im ganzen Land, die sich auf die
Anfertigung von Thangkas spezialisiert haben. Die kleinen werden in
mehreren Arbeitsschritten unterschiedlicher Schwierigkeit hergestellt.
Der letzte Arbeitsschritt obliegt dem Meister. Er zeichnet das Gesicht
der Gottheit und öffnet ihm die Augen, lässt ihn „erwachen“. Die
Fertigung der Gesichtspartie ist maßgebend für die qualitative
Einschätzung und bestimmt somit den Wert des Bildes.
Thangkas
werden
auf Baumwollleinwänden angefertigt. Der Stoff wird mehrfach, beidseitig
mit Leim bestrichen, damit die Farben beim Auftragen nicht verlaufen.
Danach wird eine Schicht aus Kleister und weißem Pulver aufgetragen,
diese wird anschließend geglättet und poliert. Bei der traditionellen
Thangkamalerei werden die fertigen Leinwände nicht direkt bemalt. Das
ausgewählte Design wird auf ein Skizzenblatt gezeichnet und die
Umrisslinie mit feinen Löchern nach gestochen, so dass eine siebartige
Oberfläche entsteht. Die durchlöcherte Zeichnung wird mit Kohlestaub
oder Pulver auf die Leinwand übertragen.
Sowohl
die handwerkliche
Anfertigung, als auch die Ikonografie der Bilder unterliegen strengen
Regeln und lassen wenig Raum zur künstlerischen Entfaltung. Daher wird
der farblichen Gestaltung der Thangkas eine besondere Bedeutung
beigemessen, sie verleiht dem Bild seine künstlerisch, individuelle
Note. Die Farben werden aus pflanzlichen und mineralischen Stoffen
gewonnen. Zuerst werden die großen Bildflächen ausgemalt, wobei mit den
hellen Farben begonnen wird.
Besonders
hochwertige Thangkas werden
mit Farbe aus echtem Gold aufgewertet. Sie verleiht den Gottesbildern
einen verzauberten Glanz. Wenn die Farben der Flächen getrocknet sind,
werden Schattierungen, feine Umrisslinien, Gesichter und Augen
angefertigt. Diese letzten Arbeitsschritte verlangen viel Erfahrung und
perfektionierte Technik, so dass sie oftmals vom Meister persönlich
ausgeführt werden müssen. Das Abschließende polieren der
Bildoberfläche enthüllt die faszinierende Leuchtkraft der kleinen
farbigen Gottesbilder.
OTGO's Thangkas
sind nicht aus religiösen Intentionen entstanden, viel mehr reizte ihn
die Herausforderung, eine so anspruchsvolle, wie traditionelle
Arbeitstechnik zu erlernen. Eine tiefe Faszination für die
Anfertigungstechnik und der eigene Anspruch einer individuellen
künstlerischen Umsetzung, trotz fester Regularien, weckten den Ehrgeiz
des jungen Künstlers und waren der Anfang einer Jahrelangen
Entwicklung auf dem Gebiet der Thangkamalerei. Seine Technik
entwickelte OTGO
auf langen reisen durch die Mongolei, sie sind ein Potpourri aus
Erfahrung, Ausdauer und unglaublichem künstlerischem Talent.
Eine
Besonderheit an OTGO's
Thangkas ist, dass er die Zeichnung direkt auf die Leinwand malt und so
den Arbeitsschritt über das Skizzenblatt ausspart. Zieht man in
Betracht, dass seine Bilder nur etwas größer als ein Dia sind, wird
schnell klar wie detailliert, genau und perfekt der Maler arbeiten
muss, um ein Bild anzufertigen. Otgonbayar Ershuu fertigte 600 Thangkas
an, wobei ein Großteil der Bilder in einem einzigen Arbeitsschritt
entstanden ist. Jeder Strich kann nur einmal gesetzt werden, es ist
fast unmöglich Fehler zu korrigieren. Über Stunden muss der Zustand
höchster Konzentration gehalten werden, ungeachtet natürlicher
menschlicher Bedürfnisse oder unvorhersehbarer Störfaktoren.
Die
mongolische Thangkamalerei ist entsprechend der Landestradition
miniaturisiert und auch die Ikonografie wurde der vielfältigen
Glaubenswelt angepasst. OTGO's
Figurenrepertoire bedient sich aus den
Götterwelten des Schamanismus, des Tengerismus und des Buddhismus.
Auffällig ist die meist erotisierte Darstellung der Bildthemen.
Ein
Leitsatz des mongolischen Glaubens ist das Erreichen der „All –
Einheit“ durch die Überwindung aller Gegensätze der realen
Erscheinungswelt. Sinnbildlich für diesen Prozess steht die
geschlechtliche Vereinigung zwischen Mann und Frau, die letztlich den
Keim für neues Leben in sich trägt. Die Erotisierung religiöser
Bildinhalte, wird, unter Berücksichtigung dieses Grundgedanken, zur
natürlichen, fast selbstverständlichen Konsequenz. Otgonbayar Ershuu
entnimmt seine Bildthemen und Götterfiguren traditionellen
Kunstdarstellungen. Teilweise sind seine Miniaturgötter Details eines
großen Gemäldes oder die malerische Interpretation einer Skulptur,
immer jedoch sind sie auf seine ganz spezielle, eigene Weise
individualisiert und zu echten „OTGO's“
geworden.
Otgonbayar
Ershuu arbeitet bei der Herstellung seiner Thangkas
mit unterschiedlichen Grundierungsfarben, um diese zu erhalten ist eine
Vorbehandlung der Leinwände nötig. Die schwarze Grundierung ist eine
Mischung aus schwarzem Ruß, Kreide und Wodka oder Milchschnaps. Dieser
Mischung werden Pigmente aus Mineralien oder Pflanzen zugesetzt.
Schließlich wird die Mixtur mit Leim aus Yakhaut gebunden und
beidseitig auf die Leinwand aufgetragen. Eine Geruchsprobe an den
kleinen Bildchen, verrät auch nach über zehn Jahren noch die
Verwendung von Ruß und Alkohol zur Behandlung des Stoffes und verleiht
den kleinen Kunstwerken ihren geheimnisvoll, antiquaren Charakter...
Martina
Busch
Amarsanaa Lkhagva
AMARAA
(Amarsanaa Lkhagva) wurde 1976 in Ulanbaatar geboren. Bereits im
Kindesalter bekam er einen der begehrten, staatlich geförderten Plätze,
zur künstlerischen Ausbildung. In den städtischen Kulturzentren werden
die Kinder in bildender Kunst unterrichtet und gefördert, so wird ihnen
die berufliche Entwicklung auf diesem Gebiet ermöglicht. Lehrende,
Arbeitsmaterial und Räumlichkeiten werden kostenfrei zur Verfügung
gestellt, um eine frühkindliche Ausbildung und Talentförderung
gewährleisten zu können. Amaraa nutzte seine Chance der künstlerischen
Ausbildung über die gesamte Schulzeit bis hin zum Abitur.
Sein
künstlerisches Talent und die jahrelange Disziplin, eben dieses zu
fördern und auzubauen, ermöglichten ihm die sofortige Aufnahme an der
Universität der Künste in seiner Heimat Ulanbataar, nach bestehen des
Abiturs.
Von
1994 – 1999 sudierte er sehr erfolgreich, als Jahrgangsbester, Grafik.
Nach Beendigung des Studiums unterrichtet er seit 2002 als Dozent für
Grafik und Design an verschiedenen Hochschulen in Ulaanbaatar. Neben
der Arbeit als Dozent, absolvierte er das Studium der Pädagogik (2002 –
2010), um offiziell als Lehrer unterichten zu können. Diese berufliche
Doppelbelastung nahm viel Zeit in Anspruch, so dass seine künstlerische
Laufbahn für einige Jahre unterbrochen wurde.
Im
Jahr 2010 jedoch schloss er das Pädagogikstudium erfolgreich ab und
widmete sich fortan wieder aktiv seiner großen Leidenschaft, der
grafischen Kunst. Der junge Künstler präsentierte im vergangenen Jahr
seine Kunstwerke auf zahlreichen Ausstellungen in seiner Heimat
Ulanbaatar.
2011
wagt er den Flug nach Europa, zum ersten mal reist er nach Deutschland
und bringt ein Stück mongolische Kultur- und Kunstgeschichte mit. In
seinen Holzschnitten und Radierungen präsentiert er uns sein Land. Als
Künstler der Gegenwart, entscheidet er sich, für die Darstellung
traditioneller Bildthemen.
Er
hat sein ganzes Leben in dem Land verbracht, dass er so liebt. Es sind
Gefühle wie Stolz, Zuneigung, Respekt und Vertrauen, die ihn bewegen,
wenn er die Entwürfe seiner Grafiken kreiert und eine Geschichte
erzählt, die Geschichte eines Landes, seines Landes, der Mongolei.
„YUSUN ERDENE“ - Neun Schätze
Holzschnitt
und Metallinstallation
Die
neun Schätze der Welt begleiten jeden Mongolen durchs Leben und
schließlich in den Tod. Jeder Sarg wird symbolisch mit den neun
Schätzen der Welt geschmückt, sie gehen mit auf die Reise in ein neues
Leben jenseits der realen Gegenwart. Viele mongolische Vornamen sind
abgeleitet von den neun Schätzen, so trägt ein Großteil der Menschen,
zumindest einen der Schätze immer in sich.
Der mongolische
Künstler AMARAA
bettet die neun Schätze der Welt: ALT (Gold), MUNGU (Silber), ZES
(Bronze), GAN (Stahl), TANA (Perlmutt), SUVD (Perle), SHUR (Koralle),
OYU (Türkis) und NOMIN (Lasurit), eindrucksvoll in eine künstlerische
Installation aus Metall.
Die
Vorlage des Kunstwerkes ist ein Holzschnitt, bestehend aus neun kleinen
Holzplatten, jede Einzelne trägt die kunstvolle Kalligraphie, eines
Schatzes. Aus der Weiterentwicklung dieser Idee ist ein einzigartiges
Kunstwerk entstanden. Auf neun runden Messingplatten,
befestigte AMARAA
neun Stahlplatten, in die er zuvor die Kalligraphien der Schätze ein
gesägt hatte. Die räumliche Tiefe, die so entsteht, wirkt geheimnisvoll
und gibt dem Betrachter das Gefühl, auf der Suche nach etwas
Verborgenem zu sein.
AMARAA verleiht
den neun Schätzen in seiner Installation einen fast mystischen
Charakter, wie Rauchschwaden treten die Schriftzüge aus dem goldenen
Messinggrund hervor und legen sich weich, schmeichelnd um die kleinen
Schätze aus Muscheln, Steinen oder Metallen. Ganz leise, flüsternd
fordern die „Yusun Erdene“ ihren Betrachter auf, sie zu berühren, um
ihren Wert und ihre Kraft spüren zu können.
Stempel von TSCHINGIS CHAAN
Original
Holzschnitt / Druckvorlage
Der
quadratische Holzschnitt aus dunkel eingefärbtem, poliertem Holz liegt
dem Kunstgrafiker AMARAA besonders am Herzen. Der Gedanke liegt fern,
dass es sich bei diesem Kunstwerk, um eine Druckvorlage Handeln könnte
und doch ist es so. Mit eben dieser Schablone, die wir fasziniert als
einzigartige, künstlerische Schnitzerei erleben, wurden zunächst
Kunstdrucke hergestellt.
Thematisch
verarbeitet AMARAA
in diesem Holzschnitt zentrale Themen mongolischer Kulturgeschichte.
Der Holzschnitt setzt sich aus dem Abblild zweier Stempelköpfe, vereint
durch den Schriftzug "Mongolei", zusammen.
Den
Hintergrund der Komposition, ziert der Stempel des letzten mongolischen
Kaisers. Klare, ruhige fast geometrische Formen strahlen, gemäß
kaiserlichem Hoheitsanspruch, Sicherheit, Bestängigkeit, Ordnung und
Macht aus. Vor den Stempel des Kaisers, schiebt sich, verspielt und
lebendig, der Schriftzug "Mongolei", kreisrund eingefasst. Der Kreis
steht symbolisch für Beständigkeit und vermittelt gleichzeitig,
Bewegung, Entwicklung und Fortschritt, ohne jedoch das ursprüngliche
Gesicht zu verlieren. Die geschwungene, dynamische Schrift
charakterisiert die Mongolei der Gegenwart, als offenes interessiertes
Land, dass sich seiner kulturellen und geschichtlichen Wurzeln sehr
bewußt ist. Das Herzstück des Holzschnittes bildelt das Abbild eines
quadratischen Stempelkopfes mit Schriftzeichen. Nach Aussage des
Künstlers, handelt es sich hier, um das Abbild des Stempels von
Tschingis Chaan.
"Über
dem mongolischen Weltreich, gibt es nur den blauen Himmel", lauten
sinngemäß die Worte, welche den Stempel des Volkshelden zieren.
Glänzend flammt das Quadrat hervor, fordert lodernd seine zentrale
Stellung in der Komposition und erhält sie, ebenso selbstverständlich,
wie Tschingis Chaan sie in der Kultur seines Landes erhält.
Dieser
Holzschnitt vereint die Gesichter der Mongolei. Vergangenheit,
Gegenwart und Kultur verschmelzen zu einer Einheit und komponieren ein
harmonisches Bild. Jedes Land erzählt in seiner Geschichte von Zeiten,
Ereignissen, Menschen und Helden. Manche bleiben für immer unvergessen.
In der Mongolei ist es Tschingis Chaan!
NEWS:
Bericht von Botschaft der Mongolei
Мэдээлэл монголоор